Methodik Kurssimulation
1) Überblick
Diese Seite simuliert einen möglichen Kursverlauf des MSCI World und leitet daraus einen hypothetischen, täglich 2× gehebelten Pfad („ETF888“) ab. Es handelt sich um eine von sehr vielen möglichen Realisierungen; beim Neuladen oder mit anderem Seed entsteht ein anderer Pfad, durch Angabe des Seeds wird der Algorithmus deterministisch. Die Kursbewegung des Basiswertes wird als Geometrische Brownsche Bewegung (GBM) modelliert.
1.1 Glossar (Kurz)
- μ (Mu): Erwartete Jahresrendite (arithmetisch).
- σ (Sigma): Jahresvolatilität (Schwankungsbreite).
- CAGR: Geometrische Jahresrendite.
- GBM: Geometrische Brownsche Bewegung, ein Standard‑Preismodell.
- Rebalancing: Täglicher Reset des Hebels relativ zum Vortag (mehr).
1.2 Modellannahmen (MSCI World)
- Prozess: Geometrische Brownsche Bewegung (GBM) mit jährlicher Drift μ und jährlicher Volatilität σ.
- Zeitschritt: Handelstage/Jahr = 252. Daraus werden tägliche Größen abgeleitet:
μdaily ≈ (1+μ)^(1/252) − 1, σdaily = σ / √252. - Zufall: Tägliche Renditen entstehen aus standardnormalen Zufallsvariablen (z. B. via Box‑Muller‑Transformation).
- Verteilung: Preise sind im GBM lognormal verteilt; Log‑Renditen sind näherungsweise normalverteilt.
- Startwert: MSCI und ETF starten jeweils bei 100.
1.3 Abbildung des gehebelten Produkts
Aus dem simulierten MSCI‑Pfad St werden die täglichen prozentualen Änderungen rt = St+1/St − 1 berechnet. Das gehebelte Produkt wird täglich rebalanciert (Reset relativ zum Vortag):
Et+1 = Et · (1 + 2 · rt − fdaily)
- Hebel L = 2 (fest).
- Gebühren/Slippage fdaily = 0 in dieser Webanwendung (Hab ich eigentlich bewusst im Formular ausgelassen, ist für die Aussagekraft gar nicht so relevant...).
- Untergrenze Et+1 ≥ 0 (kein Negativwert).
- Reale ETFs unterliegen Tracking‑Differences und Tracking‑Errors gegenüber dem Zielpfad.
1.4 Szenarien und Eingaben
- μ (Erwartete Rendite p.a.) und σ (Volatilität p.a.) sind steuerbar; σ kann als Bereich „x–y“ vorgegeben werden, für die Simulation wird daraus gleichverteilt ein Wert gezogen.
- Seed: Gleicher Seed → gleicher Pfad. Ohne Seed wird ein zufälliger Pfad erzeugt. Optional kann eine automatische Suche einen Pfad nahe der Zielrendite (μ) finden.
- Monte‑Carlo: In dieser Webanwendung zeigen wir bewusst Einzelpfade; für Verteilungen wären Monte‑Carlo‑Analysen (viele Läufe) erforderlich.
1.5 Grenzen und mögliche Verzerrungen
- Das GBM ist ein idealisierendes Modell ohne Sprünge, Regimewechsel, fat tails etc.
- Reale Produkte haben Gebühren, Rebalancing‑Mechanik, Intraday‑Effekte, Tracking‑Fehler.
- Eingaben sind Vereinfachungen; insbesondere σ‑Bereiche werden gleichverteilt gezogen.
- Die „Faktor‑2ד-Erwartung bezieht sich fälschlich oft auf die Jahresrendite, korrekt ist nur die tägliche Hebelung. Genau dadurch entsteht der volatility drag (Pfadabhängigkeit bei gehebelten Finanzprodukten).
2) Hintergrund: Geometrische Brownsche Bewegung (GBM)
Die Geometrische Brownsche Bewegung ist ein weit verbreitetes Modell für Kursprozesse. Es nimmt an, dass relative Preisänderungen lognormal verteilt sind und dass sich der Prozess stochastisch kontinuierlich entwickelt. Mathematisch führt das dazu, dass der Log‑Preis einen Drift‑Term (Trend) und einen zufälligen Term (Skalierung mit der Volatilität) besitzt (siehe z. B. Itô‑Lemma).
- Intuition: Kleine prozentuale Änderungen multiplizieren sich über die Zeit. Dadurch ist der Endwert strikt positiv und hängt von sowohl Durchschnitt als auch Schwankung ab.
- Skalierung: Jährliche Größen (μ, σ) lassen sich konsistent auf tägliche Größen herunterbrechen (z. B. σ/√252).
- Geometrische vs. arithmetische Rendite: Die typische geometrische Jahresrendite (CAGR) liegt näherungsweise bei
exp(μ − 0,5·σ²) − 1
(Herleitung ist dem Leser überlassen ;)). Das ist die Quelle des volatility drag. - Grenzen: Keine Sprünge, keine „fat tails“, keine Regimewechsel, keine Stau‑/Liquiditätseffekte, also ein idealisierendes Modell.
2.1 Diskrete Simulation und Herleitung
- Diskretisierung: St+1 = St · exp[(μd − 0,5·σd2) + σd · Zt], mit Zt ~ N(0,1).
- Zufallszahlen werden z. B. mit der Box‑Muller‑Transformation erzeugt.
- Für statistische Aussagen wären viele Pfade nötig (Monte‑Carlo), die wir hier bewusst nicht generieren.
3) Warum diese Webanwendung bewusst nicht das volle GBM‑Instrumentarium nutzt
Ziel dieser Webanwendung ist die didaktische Veranschaulichung des Effekts volatility drag (Pfadabhängigkeit bei gehebelten Finanzprodukten). Um den Effekt klar sichtbar zu machen, wurden einige Vereinfachungen und Entscheidungen getroffen, die eine realistische Risikomodellierung nicht zum Ziel haben:
- Einzelpfad statt Verteilung: Es wird jeweils ein möglicher Kursverlauf gezeigt. Das illustriert den Effekt am konkreten Beispiel, ersetzt aber keine Wahrscheinlichkeits‑ oder Risikobetrachtung.
- Konstante Volatilität σ: σ wird als konstant über die Zeit angenommen (oder aus einem Bereich gleichverteilt gezogen). Reale Märkte zeigen häufig Volatilitäts‑Clustering und Regimewechsel, hier bewusst nicht abgebildet.
- Tägliche Hebelung L=2, keine Gebühren/Slippage: Um den Pfad‑Effekt isoliert zu zeigen, werden Kosten standardmäßig auf 0 gesetzt und die tägliche Rebalancing‑Mechanik stark vereinfacht.
- Optional: Pfadsuche nahe μ: Die optionale Suche kann einen Seed wählen, dessen geometrische Jahresrendite nahe der Zielgröße liegt. Das dient der Demonstration ("typischer" Pfad), ist aber kein statistischer Beweis.
- Keine Sprünge, keine fat tails: GBM ohne Sprünge ist glatter als reale Märkte; extreme Ausschläge werden unterschätzt (vgl. Sprung‑Diffusion nach Merton).
4) Was bedeutet das für die Interpretation?
- Die Webanwendung zeigt den Effekt: nicht die Wahrscheinlichkeit, mit der er in der Realität in bestimmter Stärke auftritt.
- Ergebnisse sind beispielhafte Pfade (Simulation), keine Prognosen. Andere Seeds ergeben andere Verläufe und Endwerte.
- Für echte Risiko‑/Wahrscheinlichkeitseinschätzungen wären Mehr‑Pfad‑Analysen, erweiterte Modelle (stochastische Volatilität, GARCH, Sprünge) und Gebührenmodelle nötig.
- Lesen Sie ergänzend die Effekt‑Erklärung für die intuitive Seite des Phänomens.
4.1) Was darf man also ableiten und was nicht?
- Ja: Tägliche Hebelung erzeugt volatility drag. Bei höherer Volatilität verstärkt sich dieser Effekt.
- Nein: Keine Aussagen über reale Eintrittswahrscheinlichkeiten, Erwartungswerte, Value‑at‑Risk, Drawdowns in der Praxis oder die Güte einzelner Produkte. Die Simulation zeigt Beispiele, keine Prognosen.
5) Validierung, Sensitivität und weiterführende Begriffe
- Sanity‑Checks: Bei σ → 0 nähert sich der gehebelte Pfad der linearen Erwartung; bei hohen σ wird der volatility drag sichtbar.
- Sensitivität: Höhere σ senkt typischerweise die CAGR relativ zur arithmetischen Rendite; längere Laufzeiten vergrößern die Streuung der Endwerte.